Stellungnahme der SPD-Fraktion zum Haushalt 2020 der Gemeinde Anröchte
gehalten von Martin Fischer am 28.01.2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren.

Karl August Fritz Schiller war ein deutscher Wissenschaftler und Politiker. Er war von 1966 bis 1972 Bundesminister für Wirtschaft und von 1971 bis 1972 zusätzlich Bundesminister der Finanzen, damals Superminister genannt. Er war federführend an der Entstehung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes beteiligt

Nun Schiller sagte einmal: „Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selber.“ Schiller war aber auch ein Schüler und Freund eines anderen bedeutsamen Fachmannes, den ich auch sehr schätze: Ludwig Erhard und über diesen sagte Schiller: „Jedes Gespräch mit Erhard war ein Gewinn“. An diesen beiden - und noch einem weiteren Zitat - will ich meine heutigen Ausführungen zu unserem Haushalt anlehnen.

Was würden Karl Schiller und Ludwig Ehard heute zu unserem Haushaltsplanentwurf 2020 sagen? Nun, der Erste war – wie ich auch - überzeugter Keynesianer und hätte uns möglicherweise angesichts unserer Haushaltsüberschüsse bereits vor zwei Jahren zu Steuererhöhungen geraten, um unsere strukturelle Unterfinanzierung des Haushaltes auszugleichen und einen nachhaltigen Abbau der Altschulden vorzunehmen bzw. Rücklagen für schlechtere Zeiten zu bilden. Und der Zweite hätte uns angesichts unserer Ausgabenpläne zweifellos zum Maßhalten aufgefordert.

 

Dies ist der 11. Haushaltsplan, für den ich für meine Fraktion die Ehre habe, die Rede darüber führen zu dürfen. Kein anderer Haushaltsplan zuvor hatte -  natürlich -  solche Eckdaten, kein anderer hatte für das aktuelle bzw. zurückliegende Haushaltsjahr so gute Zahlen, kein anderer war bei seiner Verabschiedung so deutlich bereits Makulatur wie dieser. Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Anröchte: Wir schwimmen vermeintlich im Geld und sind nach Plan bereits in wenigen Jahren pleite wie die sprichwörtliche Kirchenmaus. Wie kann das sein?

Unsere Ausgleichsrücklage (also unser Schatz) ist entgegen den Erwartungen früherer Jahre nicht nur nicht gesunken, sondern steigt seit drei Jahren auf eine Rekordniveau von nunmehr 7.777.713 €, die allgemeine Rücklage auf 8.886.578 €. Die für 2019 noch angedachte Inanspruchnahme der Ausgleichsrücklage von 654.481 € entfällt nicht nur, nein wir werden die Ausgleichsrücklage voraussichtlich nach Abschluss der Prüfung sogar um einen hohen Betrag aufstocken können. Die Gewerbesteuereinnahmen liegen seit Jahren weit über den Erwartungen, der Einkommensteueranteil steigt ebenso und auch die gemeindlichen Steuereinnahmen liegen im Plansoll. Die Zinsaufwendungen sinken nach Plan in den kommenden Jahren von 500.000 € im Jahre 2018 auf 345.000 € im Planjahr 2023. Einzig der Höchstbetrag der sogenannten Kassenkredite, also unser Kontokorrent, zur Liquiditätssicherung liegt bei 10.000.000 €. Das ist hoch, sehr hoch und unsere Altvorderen wundern sich, dass dieser Rat das so akzeptiert, haben wir doch noch vor 20 Jahren bei 2 Millionen Mark stundenlang über die Risiken und Gefahren hoher Kassenkredite diskutiert.

Aber die Zeiten, die Zinsen, waren andere. Allerding ziehen im Moment dunkle Wolken am Himmel auf. Wie dunkel werden sie angesichts unserer großen Vorhaben in unserer Gemeinde?! Die Kämmerin mahnt uns zur Ausgabendisziplin, die Gewerbesteuereinnahmen sind nie genau planbar, volatil und keine Garantie auf die Zukunft, die Transferzahlungen an den Kreis Soest erreichen jährlich neue Höchststände und schränken unsere gestalterischen Entscheidungsspielräume immer stärker ein.

Generationenplatz, Garten der Erinnerung, bereits realisierte bzw. geplante Millioneninvestitionen in energetische und andere Maßnahmen in Schulen und Feuerwehrneubauten in Berge und Anröchte. Ludwig Ehrhard mahnt zur Mäßigung und die gemeine Bürgerin, der gemeine Bürger reibt sich die Augen angesichts der aktuellen Entwicklungen und Planungen in der Gemeinde Anröchte. Droht der Untergang? – Nein!

Viele Dinge und Maßnahmen sind von der Verwaltung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht und mit hohen Fördermitteln unterstützt worden. Hier ist endlich etwas passiert, was wir seit Jahren gefordert, von der alten Verwaltung und so den Mehrheiten hier im Ratssaal lange blockiert wurde. Endlich fließen wieder öffentliche Gelder nach Anröchte. Das heißt also, dass wir nicht alle Maßnahmen aus eigener Tasche bezahlen müssen und auch nicht könnten. Allein für die Investitionen im Bürgerhaus stehen Zuschüsse von 90 % der Maßnahmen in Aussicht, der Eigenanteil bilanziert sich somit auf 10 % und auch nur bezogen auf den Teil, den wir tatsächlich als Fördersumme erhalten. Und damit kommen wir erneut zu Karl Schiller: Wir sind endlich wieder an diesen Fördertöpfen dran, ob wir saufen, bestimmen wir!

Wir haben einen so großen Investitionsstau in unserer Gemeinde gehabt und uns immer wieder davor gedrückt diesen zu beheben. Durch unser Nichthandeln haben wir Geld verschwendet. Als ein beeindruckendes Beispiel möchte ich hier nennen, dass wir vor mehr als 30 Jahren in diesem Rat ein modernes Blockheizkraftwerk für die energetische Optimierung unseres Schulzentrums und Bürgerhauses gefordert haben. Nach Berechnungen von Experten sparen wir durch das mit großzügigen Fördermitteln nun endlich realisierte BHKW jährlich 30.000 €! Das heißt aber auch, dass wir bezogen auf 30 Jahre 1 Million € im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Fenster geschmissen haben. Geld, was uns heute fehlt und hätte helfen können, Wege, Plätze, Straßen, Freibad, Schulen, Bürgerhaus, Wirtschaftswege und vieles andere mehr in einem ordentlichen Zustand zu halten.

Unsere Wirtschaftswege sind marode. Anlieger und Gemeinde müssen hier für die Instandsetzung herangezogen werden, unterstützt von Fördergeldern. Die in Jahren unterlassenen Investitionen in unsere Feuerwehr haben wir zu verantworten. Schon bald werden wir unseren freiwilligen Feuerwehrleuten für Ihre vielen Einsätze noch dankbarer sein. Die Erinnerungen an das Jahr 2018 und die täglichen Berichte über unkontrollierte Brände überall in der Welt, mögen uns da eine Mahnung sein. Wir müssen uns so gut wie möglich auf den Klimawandel vorbereiten!

Die Feuerwehr verdient also unsere vollste Unterstützung. Diese Unterstützung ist aber auch die größte Herausforderung der kommenden Jahre für den Haushalt der Gemeinde Anröchte. Es ist das größte Projekt in der Geschichte der Gemeinde. Und daher muss allen Beteiligten und auch den Bürgerinnen und Bürgern klar sein, dass die beiden Feuerwehrstandorte Berge und Anröchte, sowie die Ertüchtigung der beiden anderen Standorte ca. 10. Mio. € kosten werden und diese Ausgaben nicht zum Nulltarif geschultert werden können. Einen Berliner Flughafen oder Stuttgarter Hauptbahnhof können und dürfen wir uns nicht leisten. Auch hier muss das Feuerwehrgerätehaus Böckenförde eine Mahnung sein. Die besondere Sorgfalt muss in der Planung liegen, die anschließende Bauausführung muss rasch umgesetzt werden.

In den Bereichen Klima, Wirtschaftswege, Radwege und unser größter Wunsch, der Erneuerung bzw. effektiveren Nutzung unseres Bürgerhauses stellt sich unsere Gemeinde gerade auch nach unseren Vorstellungen richtig auf.

Nachhaltige Investitionen zum Schutz des Klimas insbesondere auf gemeindlichen Gebäuden bzw. Grundstücken sind zwingend. Die ersten Schritte, sprich die Realisierung der Photovoltaikanlagen auf der Kläranlage, Feuerwehr Berge und dem Altengeseker Kindergarten sind vielversprechend, aber noch nicht genug. Unsere Kinder werden uns an dem messen, was wir heute und in den nächsten Jahren in unserer Gemeinde umsetzen. Außer einem amerikanischen Präsidenten und hierzulande einigen besonderen deutschen Volksvertretern zweifelt niemand mehr am Klimawandel. Der Klimawandel ist da, wir müssen umdenken, müssen neu denken. Und wenn darüber hinaus schon heute klar ist, dass jeder in Klimaschutz investierte Euro sich dreifach zurückzahlt, so ist für uns auch selbstverständlich, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger in der Gemeinde Anröchte daran vielfältig teilhaben können und dürfen.

Viele Bürgerinnen und Bürger wollen sehr gerne mitmachen, können sich aber nur mit kleinen Beiträgen an der großen Aufgabe beteiligen. Bürgerwindkraftanlagen auf gemeindlichen Grundstücken sind für uns deshalb kein Tabu. Im Gegenteil. Sobald die gesetzlichen Regelungen es zulassen, muss auch die Gemeinde Anröchte die entsprechenden Möglichkeiten eruieren. Wir müssen weitere und nachhaltige Beiträge zum Klimaschutz leisten und an den Vorteilen, die damit verbunden sind, sollen nicht immer nur einige wenige, sondern alle Mitbürgerinnen und Mitbürger teilhaben. Ganze Gemeinden gehen gerade da sehr vorbildlich voran.

Und mit unserer Forderung in unserem 10-Punkte-Programm nach einem Bürgerwald kommen wir der CDU-Fraktion gern entgegen, die 11.000 Bäume der CDU Kreistagsfraktion müssen ja irgendwo untergebracht werden. Und bei den Anpflanzungen sind wir selbstverständlich mit helfender Hand dabei.

Der Rat wird also in der nächsten Periode große Herausforderungen für die Zukunft unserer Gemeinde bewältigen müssen. Mit unserem 10- Punkte- Programm stellen wir uns diesen Herausforderungen, es ist nicht rot, nicht grün und auch nicht schwarz. Es ist ein Programm der Vernunft, für die Zukunft unserer Gemeinde. Die gewaltigen Investitionen, insbesondere im Bereich der Feuerwehr, beeindrucken und wurden und werden im Zuge der Haushaltsberatungen von jeder Fraktion mit Respekt und Sorgen begleitet. Mit Respekt begegnen wir daher auch den Einwendungen der Liberalen angesichts von Anträgen anderer Fraktionen dieses Rates, die mit zusätzlichen Ausgaben verbunden sind. Andererseits müssen wir aber auch für die Folgen einer Politik in unserer Gemeinde Verantwortung übernehmen, die lange Zeit von Stillstand und mangelnder Transparenz gegenüber großen Teilen dieses Rates gekennzeichnet war. Die Einwendungen und Sorgen sind dennoch berechtigt.

Und die Sorgen verstärken sich natürlich angesichts der Plandaten für die nächsten Jahre. Ungeachtet meiner bereits gemachten Ausführungen zum zurückliegenden und aktuellen Haushalt, erwartet die Kämmerin fast einen vollständigen Verzehr der Ausgleichsrücklage von aktuell 7.777.713 € auf nur noch 892.179 € in 2023. Das dies nicht so kommen wird, liegt in Anröchte einmal an den bereits realisierten Mehreinnahmen aus dem noch abzuschließenden Haushaltsjahr 2019 aber auch an den mittlerweile erwarteten optimistischeren Einschätzungen führender Wirtschaftsinstitute zur Zukunft der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Die Eintrübung als solche ist dennoch zweifellos da.

Wir dürfen dennoch die nächsten Herausforderungen in unserer Gemeinde nicht auf die leichte Schulter nehmen, Pessimismus ist aber auch nicht angebracht. Und so will ich an dieser Stelle ein Zitat eines anerkannten Wissenschaftlers einfügen, der mutiger war als wir es je sein werden, der verfolgt wurde, obwohl er nichts getan hatte und dennoch stets ein Optimist war, Albert Einstein der da sagte: „Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet“

Also, meine Damen und Herren: Gestalten wir so gut wir es vermögen, die Zukunft unserer Gemeinde Anröchte. Wir glauben nicht, dass wir am Ende so pleite sein werden, wie die eingangs zitierte Kirchenmaus. So oder so: Es wird eine der nachhaltigsten Ratsperioden in der Geschichte unserer Gemeinde sein.

Einzig ein Knackpunkt bleibt für uns bei der Betrachtung des Haushaltes 2020 und wir werden nicht müde, ihn bis zu einer endgültigen Klärung immer wieder aufzuzeigen. Es ist nach wie vor die Satzung der Gemeinde Anröchte zur Erhebung der Abwasser, bzw. primär der Niederschlagswassergebühren, die wir weiterhin in Teilen für rechtswidrig, mindestens aber für dringend überprüfbar halten. Wie wir bereits mehrfach moniert haben, werden große Teile des Oberflächenwassers nicht in die Gebührenkalkulation mit aufgenommen. Wir verwenden Gebührenanteile für die Einleitung von Oberflächenwasser zum Beispiel in den Abfanggraben Ost, welches von unbefestigten Flächen dort hineingelangt. Auch wenn wir dies in unserer Satzung so stehen haben. Das ist nicht rechtens! Der Abfanggraben Ost ist nicht Bestandteil der öffentlichen Abwasserentsorgung, da ein solches Wasser von Ackerflächen kein Abwasser ist. Demnach darf ein solcher Abfanggraben bzw. die Finanzierung nicht aus der Niederschlagswassergebühr erfolgen. Dieser Knackpunkt wird allerdings nicht hier und heute entschieden, so dass wir von unserer Fraktion dem Haushalt des Bürgermeisters unsere Zustimmung erteilen.

Die SPD-Fraktion bedankt sich beim Bürgermeister Schmidt für die gute Zusammenarbeit seit 2015, spricht ihm an dieser Stelle auch noch einmal erneut ihr Vertrauen aus. Bei der Kämmerin und den Mitarbeitern der Verwaltung bedanken wir uns für die umfängliche Aufstellung des Haushaltsplanes und beantragen zum Schluss für das Protokoll einzig, dass wir im Hinblick auf zukünftige Haushaltsplanentwürfe jeweils einen einzelnen Punkt im Haushalt besonders aufgeschlüsselt haben möchten, für den nächsten Haushalt gerne eine Aufstellung über einzelne Erträge bzw. Aufwendungen des Freibades Anröchte.